Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist nicht einfach in der gegenwärtigen Zeit, Studierende und junge Ärztinnen und Ärzte für die Anthroposophische Medizin zu begeistern und zu gewinnen. Neben einer medial rauen Luft für die Anthroposophische Medizin und Bewegung spielen auch veränderte Lehr- und Lernweisen und neue Formen des Wissenserwerbs eine Rolle. Darauf wollen wir in der Akademie reagieren und hatten ein Lern-Retreat für Studierende und ein verlängertes Wochenende zum Erfahrungsaustausch für Berufseinsteiger:innen neu konzipiert.
Dazu gehört aber auch der Aufbau einer Online-Lernplattform, die wir in Absprache mit den Ausbildungsstätten in Deutschland und den angrenzenden deutschsprachigen Ländern in der Akademie GAÄD konzipieren und realisieren. Hier sollen ergänzend zu den Live-Formaten vor Ort Lehrvideos, kommentierte Foliensammlungen, Filme und weitere Materialien zu den Grundlagen der Anthroposophischen Medizin für ein individuell verfügbares Online-Studium zusammengestellt und zu Hause oder an anderen Orten individuell genutzt werden können. Diese Form der Aus- und Weiterbildung ist heute längst gelebte Praxis. Dazu wollen wir ein attraktives und jederzeit verfügbares Angebot aufbauen. Der Akademie-Tag am 18. März 2026 in Kassel soll dem Austausch der verschiedenen Ausbildungsstädten und der Ausbildungsverantwortlichen zu diesem Projekt dienen.
Parallel dazu haben wir mit dem Aufbau eines Netzwerkes für Fort- und Weiterbildung in der Anthroposophischen Medizin begonnen, das die aktuellen Weiterbildungsinitiativen in Berlin, Heidenheim (Kambrium) Arlesheim und Witten/Herdecke (BÄfAM) vernetzen wird und den jungen Ärztinnen und Ärzten das Kennenlernen verschiedener Standorte und unterschiedlicher Herangehensweisen in der Ausbildung ermöglichen soll.
Von einer schönen Aufbruchsstimmung umgeben und getragen war das Treffen der Initiative „Zukunft ambulante Anthroposophische Medizin (ZAM)“ im Zukunftsdorf Sonnenerden in der Rhön. Ein schöner Bericht mit guten Aussichten für damit verbundene Vorhaben erreicht uns von dort. - In so guter Zukunftsorientierung, dass schon ein nächstes Treffen im kommenden Jahr verabredet wurde.
Auch den im vergangenen Jahr in kleiner, aber feiner Runde an der Universität Witten/Herdecke stattfindenden Promotions- und Forschungstag der Akademie GAÄD wollen wir im kommenden Jahr fortsetzen. Der 30. Mai ist dafür ins Auge gefasst.
Aufmerksam machen möchten wir Sie auch auf einen spannend besetzten Kongress zu Grundfragen der „Zeitordnungen des Lebens“ vom 30. April bis 2. Mai 2026, ebenfalls an der Universität Witten/Herdecke. Unter anderem Thomas Fuchs, Giovanni Maio, Marion Debus, Rosa Michaelis und Hartmut Rosa werden dort beitragen.
Näheres zu all den erwähnten Planungen für das kommende Jahr finden Sie in diesem Rundbrief. Für die bevorstehende stille Zeit im Jahr wünschen wir Ihnen von Herzen eine friedvolle Advents- und Weihnachtszeit und das Aufgehen des Innenlichtes und das Gewahrwerden der Zukunftskraft von Herzenshelligkeit im äußeren Dunkel!
Mit herzlichem Gruß für das Akademie Team
Prof. Dr. Friedrich Edelhäuser
Leiter der Akademie GAÄD
In den letzten Jahren mussten wir einen deutlichen Rückgang der Teilnehmerzahlen bei Veranstaltungen zur AnthRoposophischen Medizin, vor allem auch bei berufsbegleitenden Ärzteseminaren, feststellen. Für uns ein Zeichen, dass die Form der Vermittlung Anthroposophischer Medizin einer zeitgemäßen Überarbeitung bedarf. Denn die Anzahl derer, die Anthroposophische Medizin lernen, praktizieren und sich entsprechend zertifizierten, steht in direktem Zusammenhang mit der Zukunft der Therapierichtung und der GAÄD.
Wir denken, dass es auch in der Grundausbildung blended learning (online und in Präsenz) mit einer Lern-Management-Plattform braucht, und haben uns in Zusammenarbeit mit den Vertretern der berufsbegleitenden Ärzteseminar entschieden, diese unter dem Dach der GAÄD zu entwickeln.
Nachdem wir uns in diesem Jahr nach umfangreicher Analyse für einen technischen Weg entschieden haben, der sich eng an der IT-Umstellung der GAÄD orientiert, und erste Überlegungen zu Inhalten und Aufbau gemacht haben, ist es nun an der Zeit, die Gedanken und Ideen in das Netzwerk Aus- und Weiterbildung der Akademie GAÄD zu tragen. Daher wollen wir den diesjährigen Akademietag, der am 18. März 2026 in Kassel stattfinden wird, der Frage widmen, wie wir gemeinsam diese neue Zugangsmöglichkeit handhaben.
Inhaltlich wollen wir die im Online-Portal angebotenen Materialien an dem Beispiel-Curriculum der WHO orientieren und um wichtige Perspektiven zu zeitgemäßen Themen wie Nachhaltigkeit, ökologische Medizin, moderne Lernformate, Prävention, soziale Relevanz der Medizin u.a.m. erweitern. Dabei stellt sich selbstverständlich die Frage, welche Inhalte digital vermittelt werden können, und welche nicht ohne Präsenztreffen auskommen. Denn neben Videos, Folien, Texten, Podcasts und anderen abrufbaren Inhalten kommt die Anthroposophische Medizin nicht ohne Begegnung aus. Selbsterfahrung und Austausch sind elementare Momente beim Erlernen der Anthroposophischen Medizin und sollen das auch bleiben.
Den Akademietag werden wir bald ankündigen und zur Anmeldung freischalten.
Wie geht eigentlich Lernen und dabei gesund bleiben?
Ende Juli dieses Jahres veranstaltete die Akademie GAÄD auf dem Gelände der Lohelandstiftung nahe Fulda ein „Lern-Retreat“. Während einer Woche konnten Medizinstudierende die Wirkung anthroposophischer Anwendungen und einer rhythmischen Tagesgestaltung erleben.
Die Tagesstruktur war immer gleich aufgebaut: (Heil-)Eurythmie-Einheiten und äußere Anwendungen wechselten sich mit gemeinsamen vollwertigen Mahlzeiten, in deren Zubereitung die Teilnehmenden mit eingebunden waren, und frei gestalteten Lernsessions ab. Nach dem Mittagessen wurde das Durchführen eines Leberwickels erlernt und folgend selbstständig angewendet. Auch für (Lern- und Stress-) symptombezogene Einheiten war Raum.
Nach und nach fanden die Teilnehmenden in ihren persönlichen Rhythmus und konnten erleben, wie gesundend dies wirkt trotz intellektueller Anstrengung während der Lernzeiten. Es war schön zu beobachten, wie während des Lernens kleine Pausen eingelegt und gemeinsam Eurythmieübungen gemacht wurden. Nach wenigen Tagen berichteten mehrere Teilnehmerinnen, ihre Lernzeit produktiver und konzentrierter nutzen zu können. Dass eine Teilnehmerin nach einem Lavendelfußbad erstmalig wieder erholsam durchschlafen konnte, war besonders eindrücklich.
Insgesamt war es eine erlebnisreiche Woche, die viele innere Prozesse anregte und die Teilnehmenden vor allem ins Wahrnehmen und Erfahren führte, was die klare Zielsetzung der Woche war. So konnte am eigenen Leib erlebt werden, was Anthroposophische Medizin kann. Eine Teilnehmerin fasst ihre Erfahrungen zusammen:
„Das Lernretreat [war] nicht nur eine Woche voller Lernerfolg und gemeinsam selbstwirksam Werden für die eigene Gesundheit, sondern vielmehr eine Inspiration, die erlernten Anwendungen mit in den Alltag zu nehmen und somit die folgenden Lernphasen ebenfalls gesünder zu erleben. Ich bin sehr dankbar für die vielen Inspirationen, sie helfen mir sehr in meinem Alltag.“
Vom 31.10. bis 2.11. trafen sich im Zukunftsdorf Sonnerden bei Fulda 23 Kolleg:innen im Rahmen von Zukunft ambulante Anthroposophische Medizin.
Johannes Brockhaus übernahm 2023 die Familienpraxis Rhön und zog mit seiner Familie in das Zukunftsdorf, das als Gemeinschaftsprojekt junger Menschen neu aufgebaut wurde. Ausgehend von seinen Schilderungen tauschten wir uns über die Gründungsphase der Niederlassung aus. Nachdem der Mut gefasst wurde, sich der finanziellen und sonstigen Verantwortung zu stellen, ist die Arbeitslast oft hoch und die Verbindung von Arbeit und Familie zu leisten. Strukturelle Aspekte wie Abrechnung mit der KV und die Einrichtung der EDV sind Hürden, die teilweise auch zum Scheitern führten.
Am Nachmittag führte Jan-Matthias Hesse durch das Feld der Erstattung von Anthroposophika in der GKV. Es fand reger Austausch zu den Themenfeldern statt und es wurde deutlich, dass Abrechnungsgewohnheiten bestehen, die möglicherweise in Teilen nicht mehr tragen könnten. Es war erfrischend, sich über herausfordernde Themen praktisch zu unterhalten und zu unterstützen. Der Zeitrahmen eines Wochenendes ermöglichte ausreichend Raum für Austausch und Entwicklung.
Daniel Moos leitete eine auf das persönliche Erleben zentrierte Arbeit mit künstlerischen Elementen zum Weg in den Dimensionen Freiheit und Tradition, Individualität und Gemeinschaft an. Der Sonntag griff Organisationsstrukturen auf, die im Unterschied zur klassischen Selbständigkeit Arbeitssituationen in Anstellung ermöglichen, was vermehrt von Ärztinnen gewünscht wird. Deutlich wurde, dass die Einzelpraxis zunehmend eine Ausnahme darstellt und Formen der Zusammenarbeit gesucht werden.
Die Resonanz war sehr positiv, so dass entschieden wurde, im kommenden Jahr am selben Ort die Veranstaltung zu wiederholen. Ein passender Termin muss noch gefunden werden.
Bei der letzten GAÄD-Ostertagung in Kassel haben Nachwuchs-Mediziner:innen die Initiative ergriffen, sich gemeinsamen zu vernetzen. Die Gruppe bilden klinisch und ambulant tätige Assistenzärzt:innen, junge Fachärzt:innen sowie Medizinstudierenden. Entstanden ist der Impuls auch aus dem gemeinsamen und immer präsenter werdenden Bedürfnis, die Zukunft der Anthroposophischen Medizin im deutschsprachigen Raum aktiv(er) mitzugestalten.
Die Vernetzung erfolgt über eine Telegram- bzw. Signal-Gruppe, mit Untergruppen zu den Themen Heilmittel, Veranstaltungsankündigungen und – neu – auch einer Stellenbörse. Regelmäßig finden Zoom-Treffen zum Austausch und gegenseitigen Kennenlernen statt. Zudem ist ein jährliches Präsenztreffen in Planung.
Unser Netzwerk umfasst mittlerweile knapp 80 Mitglieder. Wir freuen uns über viele neue Gesichter! Eine kurze Vorstellung bei Eintritt in die Gruppe ist sehr willkommen.
Alternativ über Signal-Brücken:
Bereit für eine neue Perspektive?
Wie gewohnt veranstaltet die GAÄD auch im Jahr 2026 wieder das Einführungsseminar Anthroposophische Medizin „Medizin menschlicher machen“, und zwar vom 11. bis zum 14. März 2026 in enger Zusammenarbeit mit der Filderklinik, wo das Seminar auch wieder stattfindet.
Durch das Studium und die anschließende ärztliche Weiterbildung wird man an eine naturwissenschaftlich orientierte, kausal-analytische Betrachtung des menschlichen Organismus und seiner Erkrankungen gewöhnt. In der unmittelbaren Begegnung mit dem erkrankten Menschen wird demgegenüber deutlich, dass das Wesen des Menschen bei weitem mehr umfasst.
Was machen Anthroposophische Ärzt:innen anders und wie unterstützen sie die Selbstheilungskräfte der Patient:innen? Mit einer kleinen praxisnahen Reise durch die Anthroposophische Medizin (Grundlagenvermittlung, Patientenvorstellung, Praktika, Therapieerleben, Klinikführung, Expertenrunde zum Austausch und vieles mehr) möchten wir natürlich viele Studierende und junge Ärztinnen und Ärzte für die Anthroposophische Medizin begeistern. Wir freuen uns aber auch über etablierte Kolleginnen und Kollegen, die die Anthroposophische Medizin und die Filderklinik kennenlernen oder einfach nur ihr Wissen auffrischen wollen.
Bis zum 14. Januar 2026 können Sie sich noch zum Frühbucherrabatt anmelden.
INSIGHT – Das Zertifikatsstudium für interprofessionelle Beratung in der integrativen Onkologie
Nach der erfolgreichen Etablierung interprofessioneller Beratungen im Rahmen von CCC-Integrativ an den vier Comprehensive Cancer Centers in Baden-Württemberg, wird nun das Zertifikatsstudium INSIGHT am Tübinger Zentrum für wissenschaftliche Weiterbildung angeboten. Die Wirksamkeit der Beratungskonzepte wurde in einer Implementierungsstudie mit über 1000 Patient*innen nachgewiesen – mit Verbesserungen in Patientenaktivierung, Lebensqualität und Fatigue.
In 9 Monaten erwerben Ärzt:innen, Pflegefachpersonen und Teilnehmende weiterer Gesundheitsberufe die zentralen Kompetenzen für eine evidenzbasierte Beratung zu komplementären und integrativen Methoden bei onkologischen Patient:innen. Das Programm ist an der Universität Tübingen angesiedelt und schließt mit einem Certificate of Advanced Studies (CAS) (10 ECTS) ab.
Mit einem renommierten Dozierendenteam, fundierter Theorie, praktischen Übungen und Selbsterfahrung ist INSIGHT der ideale Einstieg in die interprofessionelle Beratungsarbeit in der integrativen Onkologie. INSIGHT stellt die häufigsten Symptome von Tumorerkrankungen und den damit einhergehenden Therapien in den Mittelpunkt und qualifiziert Teilnehmende zur evidenzbasierten Beratung von integrativen Interventionen.
Vom 16. bis zum 18. Januar lädt das Medizinische Seminar Bad Boll zur Tagung „Was ernährt das Kind?“ ein, in der eine ganzheitlich verstandene Ernährung für die Entwicklung des Kindes im Vordergrund stehen soll, mit Vorträgen zur Bedeutung der Schwangerschaftszeit für das Kind, der Kleinkind-, Schulzeit und Pubertät, der pflanzlichen und sonstigen Heilmittel zur Förderung der leiblichen Verdauung, der Osteopathie, aber auch der Resonanzräume im sozialen Miteinander für die Entwicklungsfähigkeit auf seelischer und geistiger Ebene.
GAÄD-Mitglieder können die Tagung zum reduzierten Preis besuchen.
ClitClub – Scham aus, Stimme an!
2025 haben Alina Hüttisch und Bianca Lutz in Heidenheim den ClitClub gegründet, ein lokales Netzwerk für Frauen. Als Ärztinnen in Weiterbildung für Allgemeinmedizin und Anthroposophische Medizin − vielen bereits durch Tagungen, die IfAAM, das Kambium Heidenheim oder das Medizinische Seminar Bad Boll bekannt −, nutzen Alina und Bianca ihre Kompetenzen aus der Anthroposophischen Medizin und der Traumapädagogik, um sichere Räume für schambehaftete und tabuisierte Themen zu schaffen. Dem ClitClub geht es um eine wachsende Community, um die Stärkung der Gesundheitskompetenz von Mädchen und Frauen und um Enttabuisierung. Der ClitClub will über Workshops für Mädchen und Frauen, über Gesprächsabende für Erwachsene und medizinische Aufklärung an Schulen einen „unverschämten“ Austausch über Körperwissen fördern.
Um diese Arbeit nachhaltig weiterzuführen und auszubauen, gründen Alina und Bianca einen gemeinnützigen Verein – und brauchen dafür Eure Unterstützung.
Zeitordnungen des Lebens
Kongress vom 30.04. - 02.05.2026 an der Universität Witten/Herdecke
Die naturgegebene Zeitlichkeit des Lebendigen ist in erster Linie durch zyklische Prozesse und Rhythmen gekennzeichnet. Das gilt etwa für den Herzschlag, die Atmung, den Schlaf-Wach-Rhythmus oder die Tagesperiodik der Hormonausschüttung.
Dieser zyklischen Struktur der gelebten Zeit gegenüber steht die Ordnung der linearen Zeit, die sich in der Naturwissenschaft und der Lebenswelt westlicher Gesellschaften seit der Neuzeit zunehmend etabliert hat. Sie ist charakterisiert durch eine wachsende Beschleunigung, die Aufhebung von Rhythmen und den Verbrauch der natürlichen Ressourcen, die den Lebensprozessen zugrunde liegen. Die monetär getriebene Wachstumsdynamik der globalen Marktwirtschaft bildet eine wesentliche Triebkraft dieser Beschleunigung. Die grundsätzliche Spannung der beiden Zeitordnungen führt zu globalen Konflikten und ökologischen Krisen ebenso wie zu individuellen Überforderungen, für die Burn-out-Syndrome und Depressionen als Beispiele stehen können.
Dem zyklischen wie dem linearen Zeitprinzip steht als drittes die präsentische Zeit gegenüber, die Zeit der Gegenwart und der Gegenwärtigkeit. Sie resultiert aus einer Aufhebung einseitig kausal oder final bestimmter Prozesse, in denen Vergangenheit oder Zukunft das Erleben dominieren. Dies geschieht besonders in Situationen der Begegnung, der Muße, des Ankommens und Verweilens, aber auch des „Flows“, also der hingegeben vollzogenen Tätigkeit, in der sich das Zeitempfinden im flüssigen Vollzug verliert. In solchen Situationen erfährt das Individuum eine wechselseitige Resonanz mit Anderen, mit seiner Umwelt, es öffnet sich für das Begegnende, so dass etwas Neues oder Kreatives entstehen kann.
Zu diesen Themen referiert ein spannendes Kongresskollegium.